Ein Fohlen für Doria by Lise Gast
Autor:Lise Gast [Gast, Lise]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Saga
veröffentlicht: 2016-05-05T00:00:00+00:00
Ja? Herein!“, rief Haakon. Er rief es leise, es klang heiser, so, als sei seine Kehle eingerostet. Die Tür war unverschlossen. Jetzt ging sie auf.
Ein junger Mann trat ins Zimmer herein. Er sah sich um und bemerkte dann den alten Kapitän, der auf seinem Sofa lag, nicht behaglich hineingemuschelt, sondern irgendwie unbequem, verkrümmt. Sein Gesicht war grau, es wirkte verblasst, seine Augen blickten trübe.
„Sie sind Haakon, nicht wahr?“, fragte der junge Mann jetzt halblaut. „Kennen Sie mich noch? Ich war eben auf dem Schlosshof, aber niemand war da. Da dachte ich, ich seh mal nach, ob jemand bei Ihnen ist. Ich bin Heiner“, setzte er noch hinzu.
„Aha, Heiner, jawohl. Wir kennen uns ja bereits. Sie haben uns damals gefahren, als wir meine Rinder und Doris kleinen Hengst suchten. Und jetzt suchen Sie Dori?“
„Ja. Aber es eilt mir nicht. Kann ich etwas für Sie tun?“, fragte Heiner sachte. Der Alte ließ sich wieder zurückfallen. Er hatte sich vorher ein wenig aufgerichtet gehabt.
„Nett, dass Sie das fragen. Aber ich glaube nicht.“
Haakons Stimme klang matt.
Heiner setzte sich vorsichtig auf den Schemel neben seinem Bett. Er nahm die Hand des Kranken, fühlte, wie heiß sie war, und legte sie behutsam auf die Bettdecke zurück.
„Fieber?“
„Na ja. Wennschon. Vergeht wieder. Malaria.“
Eine Weile schwiegen beide. Dann sagte Heiner leise: „Ich glaube, Sie gehören in ein Krankenhaus.“
Haakon sah auf.
„Meinen Sie? Würde das was nützen?“
„Vielleicht schon. Es gibt doch immer neue Möglichkeiten in der Medizin. Warum sind Sie denn nicht längst –“
„Weil ich am liebsten hier bin. Sehen Sie, ich bin mein ganzes Leben lang umhergefahren – gern, geb ich zu, hab mir meinen Beruf ja selbst ausgesucht. Aber jetzt –“
„Jetzt?“
„Jetzt möchte ich bleiben.“
„Hm. Kann ich verstehen. Hören Sie, Herr Kapitän, ich mache Ihnen einen Vorschlag. Mein Vater ist Arzt und er kennt viele Kollegen, Spezialisten. Ob er einen kennt, der gerade für Malaria zuständig ist, entzieht sich meiner Kenntnis. Aber ich könnte ja mal fragen. Wie ist es, soll ich?“
Er sah den alten Mann an. Der erwiderte seinen Blick. Dann nickte er und schloss wieder die Augen. Er schien sehr schwach zu sein.
Heiner überlegte noch einen Augenblick. Dann ging er leise hinaus, setzte sich in sein Auto, das vor der Tür stand, und fuhr los. Im Dorf hielt er an einer Telefonzelle. Als er nach einem Weilchen wieder herauskam, sah er sehr entschlossen aus. Er fuhr zu Haakons Häuschen zurück.
Da stand vor der Tür noch ein Wagen, ein kleiner, bescheidener – Großmutters Auto. Heiner klopfte und ging dann hinein.
Da saß Großmutter an Haakons Bett, hatte ihm einen Tee gebracht und betrachtete sorgenvoll das eingefallene Gesicht des Alten. Als Heiner kam, begrüßte sie ihn erfreut.
Heiner rückte mit seinem Plan heraus. Er hatte seinen Vater telefonisch erreicht und mit ihm besprochen, was man mit Haakon am besten anfangen könnte. Ja, es gab eine Klinik für Malariakranke und Heiners Vater würde sich dafür einsetzen, dass Haakon sofort dort eingeliefert werden könnte. Nach den Schilderungen des Sohnes war das wohl sehr notwendig, auf jeden Fall sehr wünschenswert. Höchstwahrscheinlich würde der Aufenthalt dort länger dauern müssen, der Kranke aber sei doch wohl zu Hause abkömmlich.
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